Lübeck – Am vergangenen Sonntag krönte sich der SC Magdeburg zum zweiten Mal in Folge zum Sieger des IHF Super Globe. In einem wahren Handball-Krimi gewannen die Elbstädter nach 70 Minuten mit 41:39 gegen den aktuellen Champions-League-Sieger FC Barcelona. Bei der Vereins-Weltmeisterschaft in Saudi-Arabien mit von der Partie war auch eine Person, die vor allem in Lübeck ein großer Name ist.
Markus Hansen war ab 2015 für den Zweitligisten VfL Lübeck-Schwartau aktiv und wechselte im Sommer in die fünftklassige Schleswig-Holstein Liga zum MTV Lübeck. Der Saisonstart verlief mit fünf Siegen aus fünf Spielen makellos. Neben dem Ligaalltag nun also das Abenteuer IHF Super Globe mit dem australischen Vertreter Sydney University.
„Es kam so zustande, dass der Teammanager selbst in Deutschland arbeitet und lebt und dazu Schweizer ist und mich über einen Bekannten, der letztes Jahr den Super Globe mitgespielt hat, einfach mal über WhatsApp angeschrieben hat. Dann haben wir uns ein wenig ausgetauscht“, erzählt Hansen.
Nach diesem Austausch folgte dann die Teilnahme an der Ozeanienmeisterschaft. Zum Glück „hatte mein Urlaubskalender zufälligerweise für den Zeitraum der Ozeanienmeisterschaft noch eine Lücke, sodass ich dort teilnehmen konnte“, blickt der 30-Jährige zurück.
Ein unbekannter Name ist der Verein aus dem Bundesstaat New South Wales keineswegs. Seit 2012 nahm der an der Universität Sydney angesiedelte Club bei jeder Austragung der Vereins-WM teil. „Sydney University ist ein Verein, bei dem es viele eingewanderte Spieler gibt, die in Australien heimisch geworden sind und mittlerweile die Staatsbürgerschaft angenommen haben.“
In 37 Spielen gelangen dem Team 2 Siege und 1 Unentschieden bei 34 Niederlagen. Die beste Platzierung erreichte man 2015 als acht Teams teilnahmen und direkt im K.O.-Modus mit dem Viertelfinale begonnen wurde. In der Runde der letzten Acht gelang der historische erste Sieg gegen den katarischen Vertreter Al-Sadd (21:20). Zwar verlor man das Halbfinale gegen Veszprem (17:29) und das Spiel um Platz 3 gegen den FC Barcelona (20:30) deutlich, dennoch stand am Ende der vierte Platz für die Männer von Down Under.
Für Australien ist es mittlerweile die einzige Möglichkeit, sich auf höchstem Niveau mit interkontinentalen Gegnern zu messen, seitdem der Weltverband IHF im Jahr 2015 die Qualifikationsspiele zu Weltmeisterschaften des Ozeanischen Handballverbandes nicht mehr anerkennt. Die Folge: Der siebenmalige WM-Teilnehmer kann sich nicht mehr für das Kräftemessen mit den besten Nationen der Welt qualifizieren.
Zwar stand bei der Ozeanienmeisterschaft kein und beim IHF Super Globe nur ein gebürtiger Australier im Kader, jedoch sind einige Spieler, „die seit einigen Jahren dort spielen und aus Europa oder Südamerika eingewandert sind“, mittlerweile australische Nationalspieler.
Das Vakuum an gebürtigen Australiern ist mit der Relevanz des Sports in der Gesellschaft zu erklären. „Die Handball-Community in Australien ist noch nicht so groß. Es gibt ein paar Vereine, die unter dem Dach einer Uni agieren“, ähnlich wie es in den USA der Fall ist. „Dort gibt es kein Vereinswesen, wie wir es aus Deutschland kennen“, führt Hansen weiter aus.
Umso wichtiger sei die Teilnahme des Teams am IHF Super Globe und auch das Auftreten. Es sei wichtig, „dass wir uns als Mannschaft präsentieren, niemals aufgeben und versuchen immer das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.“ Denn auch den Spielern des Sydney University Handballclubs ist klar, dass sie „nicht nur da sind für den Verein, sondern auch für den australischen Handballverband. Sodass man eine Entwicklung sehen kann, dass es vorangeht und der Handball eine größer werdende Akzeptanz in der Gesellschaft einnehmen kann.“
Das Rekrutieren von ausländischen und gerade deutschen Spielern für den IHF Super Globe hat Tradition. So stand Kai Dippe, in der ersten und zweiten Bundesliga aktiv für die Eulen Ludwigshafen und die SG Leutershausen, bereits im vergangenen Jahr im Kader der Australier. In diesem Jahr war er dann Teamkollege von Markus Hansen. Ebenfalls aktiv für Sydney war der ehemalige Bundesliga- und Zweitligatorhüter Matthias Ritchel (u.a. TV Hüttenberg), der 2018 im Aufgebot zu finden war.
Einerseits bringen diese Spieler eine Qualität ins Team, die sonst nicht aufzufinden wäre. Andererseits dauert es, bis sich das Team findet. Auch Sydney habe sich „über das gesamte Turnier hinweg jeden Tag ein bisschen mehr gefunden. Das, was uns mit Sicherheit ein bisschen gefehlt hat, wären noch ein paar mehr Trainingseinheiten zusammen gewesen, um ein paar Standards zu entwickeln, die für Angriff und Abwehr verinnerlicht werden.“ So wisse dann jeder, welche Würfe „wir in der Abwehr zulassen wollen und welche nicht.“
Nicht verwunderlich sind daher die beiden deutlichen Niederlagen in der Gruppenphase gegen den SC Magdeburg (23:41) und HK Khaleej aus Saudi-Arabien (21:35). Der Deutsche Meister habe den Ozeanien-Vertreter „einfach überrannt.“ Da es für viele Spieler die erste Erfahrung gegen einen Gegner dieses Kalibers war, stuft Markus Hansen dieses Spiel dennoch als „gute Erfahrung“ ein.
Beim zweiten Spiel gegen die Lokalmatadoren waren für Hansen vor allem die Atmosphäre und die gegnerischen Fans beeindruckend. „Die haben dort über 60 Minuten gesungen, haben Stimmung gemacht. Sie haben aber auch immer versucht, ihre Mannschaft positiv zu unterstützen. Bei uns im Team war ein Tunesier dabei, der Arabisch konnte, der uns übersetzt hat, was die Fans singen. Sie haben bei Aktionen, bei denen ein Spieler den Ball verloren oder einen technischen Fehler gemacht hat, versucht denjenigen aufzubauen, indem sie seinen Namen gesungen haben.“ Im Vergleich zu Europa eine komplett neue Erfahrung.
Trotz eines zwischenzeitlichen Drei-Tore-Vorsprungs in der Schlussphase verloren Hansen und Co. Auch das erste Platzierungsspiel gegen HK Mudhar (Saudi-Arabien/26:29). Erneut merkte man dem Team die fehlende gemeinsame Vorbereitungszeit an. „Da lag es dann an den kleinen individuellen Absprachen, an der Coolness und an dem Selbstverständnis, zu wissen, was die Mitspieler in so einer Situation machen wollen.“
Im letzten Spiel, dem Spiel um Platz 11, dann die Belohnung. Gegen den mexikanischen Vertreter Club Ministros gelang mit dem 33:29-Erfolg der erst zweite Sieg in der Geschichte des Vereins beim Super Globe. „Die Freude war natürlich groß, dass man dort Geschichte geschrieben hat. Für einige Spieler, die viele Jahre für den Verein aktiv waren, war es zudem das letzte Spiel.“ Dementsprechend wurde gefeiert. Zunächst am Pool im Hotel und auf der Rückreise mit Zwischenstopp in Dubai dann auch mit einem Bier.
Das Team wird vom Deutschen Christoph Friedrich Scholl trainiert. Der 36-Jährige nahm 2012 als Spieler für Sydney beim IHF Super Globe teil. 2021 war er Assistenztrainer und in diesem Jahr dann Cheftrainer. Er ist Mitglied einer Kommission, die sich mit der Entwicklung des Sports in Australien befasst. Er hilft dabei, das richtige Material für Trainer an der Basis zu erstellen, um ein System aufzubauen und aufrechtzuerhalten, in dem Spieler, die sich für diesen Sport interessieren, mit dem Handball beginnen können.
„Es ist keine leichte Aufgabe, aber ich denke, dass alles gut funktioniert. Wir haben das Ziel, bis Brisbane 2032 eine wettbewerbsfähige Mannschaft zu haben“, sagte Scholl in einem IHF-Interview.
„Der Handball – auch in Bezug auf den Zehn-Jahres-Plan bis zu den Olympischen Spielen in Brisbane 2032 – soll sich in Australien einfach weiterentwickeln und es gehört dazu, die Sportart dort erst einmal bekannter zu machen. Da ist noch eine Menge zu tun, dass es dann auf ein Niveau kommt, das wir aus Europa gewöhnt sind“, ergänzt Hansen.
Der Wahl-Lübecker hat auch eine klare Vorstellung, wie dieser Plan erfolgreich umgesetzt werden kann. So müsse man zunächst „zusehen, dass man nicht nur Freundschaftsspiele spielt – dazu nur in seinem Bundesstaat.“ Stattdessen müsse ein Ligasystem entstehen. „Nur so bekommt man auch ein gewisses Niveau in den Herrenbereich.“ Außerdem sei es wichtig, junge Menschen für die Sportart zu interessieren. Mit der Implementierung eines Ligensystems könne man ihnen eine Perspektive bieten, „dass sie nicht nur trainieren können, sondern auch Wettkämpfe haben.“
Auch wenn dieses Vorhaben „natürlich eine große Herausforderung“ ist, erkennt Hansen eine positive Entwicklung. Es „wird auf jeden Fall intensiv geplant und es werden Gespräche geführt, dass man diese Pläne auch umsetzen kann, um die Ziele für 2032 erreichen zu können.“
Autor: Tim Dettmar